So gelten Stoffpreisgleitklauseln auch in laufenden Verträgen
Von Aluminium, Stahl und Kupfer über Bitumen und Zementprodukte bis hin zu gusseisernen Rohren oder Holz – seit Corona und dem Ukraine-Krieg unterliegen verschiedenste Baustoffe immensen Preissteigerungen. Ebenjene Preissteigerungen erschweren es Bauunternehmen, Preise konkret zu kalkulieren. Damit von ihnen nicht das alleinige Preisänderungsrisiko bis zur Abrechnung der jeweiligen Bauleistung getragen werden muss, verlängerten die Bundesministerien den Erlass zu den Stoffpreisgleitklauseln.

Generell gilt: Der Baupreis ist als Festpreis zu verstehen – vollkommen unabhängig davon, ob sich der Bauvertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) oder VOB/B richtet. Dies führt im Kontext extremer Preissteigerungen zu großen Risiken seitens der Bauunternehmen. Für solche Fälle sieht der Bundesgerichtshof Folgendes vor: „Durch Preisgleitklauseln sollen in Zeiten des Vertragsschlusses noch nicht überschaubare Marktrisiken auf beide Vertragspartner in objektiv angemessener Weise verteilt und das unternehmerische Risiko reduziert werden.“ (BGH VII ZR 344/13 Rd. 16) Im Vergabehandbuch des Bundes – für die Hochbauverwaltung und Straßenbauverwaltung – findet sich für die Stoffpreisgleitklausel das Formblatt 225 mit entsprechender Richtlinie. Stoffpreisgleitklauseln gelten unter folgenden Kriterien: Preisveränderungen wirken sich im besonderen Maße auf Stoffe aus, man erwartet für diese Stoffe ein nichtkalkulierbares Preisrisiko, zudem liegen zwischen der Angebotsabgabe sowie der vereinbarten Fertigstellung mindestens zehn Monate. Wenn ein begründeter Ausnahmefall vorliegt, kann die Stoffpreisgleitklausel auch für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten vereinbart werden. Des Weiteren beträgt der Stoffpreisanteil des entsprechenden Stoffes mindestens 1 Prozent der zuvor von der Vergabestelle geschätzten Auftragssumme. Stoffpreisgleitklauseln gelten also nicht automatisch. Damit sie zur Anwendung kommen, müssen sie vereinbart werden und die Voraussetzungen erfüllen.


Erlass der Ministerien unterstützt Unternehmen
Um auf die Preisentwicklung seit des Ukraine-Kriegs zu reagieren, legte das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sowie das Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit dem Erlass vom 25. März 2022 fest, dass Unternehmen von der Richtlinie zum Formblatt 225 Gebrauch machen dürfen, weil die Voraussetzung zum Anwenden vorliegen. So kann die Stoffpreisgleitklausel auch dann Anwendung finden, wenn der Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und der Fertigstellung um einen Monat überschritten wird. Während eines laufenden Vergabeverfahrens kann die Richtlinie angewendet werden. Zudem kann man Preisgleitklauseln berücksichtigen und Ausführungsfristen verlängern.

Auch auf die Frage, ob bei bestehenden Verträgen Stoffpreisgleitklauseln hineininterpretiert oder vereinbart werden können, gibt die Richtlinie eine Antwort: „Bestehende Verträge sind grundsätzlich einzuhalten und die Leistungen von den Unternehmen wie beauftragt auszuführen. Ungeachtet dessen können die Kriegsereignisse in der Ukraine und die dadurch unmittelbar oder mittelbar hervorgerufenen Materialengpässe und Materialpreissteigerungen auch insoweit rechtliche Folgen haben. Zwar ist die Materialbeschaffung im Risiko des Auftragnehmers. Dies gilt allerdings nicht bei Fällen von höherer Gewalt. Die Kriegsereignisse in der Ukraine sind grundsätzlich geeignet, die Geschäftsgrundlage des Vertrages im Sinne von § 313 BGB zu stören.“

Lässt sich somit in einem konkreten Fall feststellen, dass die Geschäftsgrundlage gestört ist, kann das Unternehmen seinen Anspruch auf Preisanpassung gegen den Auftraggeber für die jeweiligen Positionen geltend machen. Das heißt aber nicht, dass vom Auftraggeber jegliche der Kalkulation übersteigenden Kosten getragen werden muss. Laut der Richtlinie vom 27. März 2022 kommen für eine nachträgliche Vereinbarungen nur Verträge in Betracht, die bereits die Hälfte der Leistungen aus den entsprechenden Produktgruppen ausführten. Gelten sollte ebenjene Richtlinie bis zum 30. Juni 2022.


Seit Juni: alternative Handhabung der Stoffpreisgleitklausel möglich

Die Bundesministerien verlängerten die Regelungen bis zum 31. Dezember 2022 und präzisierten hierbei folgende Punkte: Für die Stoffpreisgleitklausel wird die Schwelle des Stoffanteils an der Auftragssumme von 1 Prozent auf 0,5 Prozent gesenkt. Zudem wird ein alternatives Handhaben der Preisgleitklausel eingeführt. Diese basiert auf dem eigentlichen Angebotspreis des jeweiligen Unternehmens. Hierdurch können Unternehmen ihre Kalkulation optimaler abschätzen.

Weiterhin soll es keine feste Prozent- und Betragsgrenze geben, weil dies nicht durch die Rechtslage gedeckt ist. Vielmehr muss der Einzelfall betrachtet werden, ob eine unzumutbare Mehrbelastung für Unternehmen bei einem bestehenden Vertrag vorliegt. Damit sich unzumutbare Mehrbelastungen für Unternehmen minimieren lassen, kann man Stoffpreisgleitklauseln auch im Nachhinein vereinbaren. Wurde eine nachträgliche Klausel vereinbart, lag der Selbstbehalt des Unternehmens bei 20 Prozent. In Zukunft wird dieser Selbsterhalt bei 10 Prozent liegen – dies gilt auch in neuen Verträgen.


Fazit

Mit den von den Bundesministerien getroffenen Regelungen profitieren Unternehmen von einer besseren Kalkulationsgrundlage. Zudem wird das Preisänderungsrisiko vom Auftraggeber mitgetragen.